Dass ich nach einem Haus suche ist bekannt. Einem preiswerten Haus, um nicht zu sa- gen: Einem ganz, ganz billigen Haus. Etliche sind mir im Laufe des letzten Jahres begegnet. Manche nur virtuell, andere habe ich mir angeschaut (Varel, Bremerha- ven, Sachsen - Anhalt). Wieder andere wollte ich mir ansehen. Aber es kam anders (seitens des Maklers oder Verkäufers). Zweimal hatte ich diese belastende Erfah- rung in allerletzter Zeit, einmal nur wenige Stunden vor Abfahrt des Zuges. Dabei war ich sooo überzeugt von dem Objekt. Schon allein um der Nähe zur Familie wil- len. Und Du, meine liebe Ingrid, hattest mir "tragende" Unterstützung bei der Ent- rümpelung angeboten. Wir sahen uns schon umringt von Müllcontainern, bewaffnet mit Handschuhen und Mundschutz. Doch dann die Enttäuschung...

Jedes Mal gerate ich in solchen Situationen in einen Zwiespalt. Für mich ist nichts Zufall, son- dern Bestimmung. Also sollte es geschehen, wie es sich entwickelt hat. Trotzdem entsteht Ent- täuschung. Mal mehr, mal weniger. Aber dann gerät ein Haus in meinen Fokus, das schon seit Jahren leer steht. Keine gute Situation für ein Objekt. Und eine Belastung für den Eigentümer. Irgendwie hab' ich das Teil hundertmal auf den Immoportalen gesehen. Und weggeklickt. Die Lage: Naja. Die Optik: Naja. Der Zustand: Naja.

Doch nun hat sich der Preis in die richtige Richtung entwickelt,zugleich bin ich noch bescheidener in meinen Ansprüchen geworden. Nach mehreren Horrorhäusern ("unberäumt" nennt das der Makler) schocken mich Tapeten die von der Wand fal- len, ein feuchter Keller und ein undichtes Dach nicht mehr so, wie vor ein paar Mo- naten. "Irgendwas ist immer," pflegte meine kluge Großmutter zu sagen, die nie  Tapeten ihr eigen nennen konnte. Die Wände waren mit Ölfarbe gestrichen, quadra-tisch, praktisch gut. Bei sechs kleinen Kindern. Alles ist relativ.

Was tun? Ich hatte Gott um ein Zeichen gebeten. Eines, das selbst ich als begriffs-stutziger Mensch in bezug auf himmlische Botschaften nicht übersehen konnte. Nun, das passierte im ersten Fall hervorragend. Ein von seiten des Maklers in letzter Se- kunde geplatzter Termin war eindeutig. Sozusagen ein Hinweis mit der Zaunlatte auf den Hinterkopf. Sollte ich mich (frisch angeschlagen von dieser Sache) in ein neues Haus - Monopoly stürzen? Da ich niemanden fragen konnte, fiel mir mein "Baumgeistorakel" ein. Ich höre jetzt, wie mancher Leser die Brauen hochzieht und sagt: "Du hast das doch wohl nicht von einem Internet - Gag abhängig gemacht?!"

Nein, natürlich nicht. Vielleicht wollte ich hören: "Du solltest diese Sache nicht wei- ter verfolgen!" Denn das erhoffte ich wohl insgeheim. Oder im Notfall: "Ohne Fleiß kein Preis, versuche es!" Darum geht es doch eigentlich. Eine Bestätigung zu erhal- ten dessen, was man im Grunde selbst denkt.

Mir ist klar, dass es sich um ein Computerprogramm handelt, das auf Schlüsselwör- ter reagiert. Und irgendetwas kluges dazu ausspuckt. Vermutlich z.B. auf die Frage: "Wann werde ich endlich dem Mann meines Lebens begegnen?" Da bietet sich doch geradezu an: "Nur Geduld wird dich zum Erfolg führen!" Oder ein anderer platter Spruch. Trotzdem hab' ich gefragt. Es kostet nichts und ist ein harmloser Spaß. Also tippte ich: "Soll ich mich um das Haus bemühen?" Klar, welche Antworten ich erwar- tete. "Sich zu bemühen trägt stets Früchte!" Oder: "Ein Haus ist ein Heim!" Das braucht eigentlich kein Mensch. Aber man hat den Blödsinn ja selbst angezettelt!

Der Baumgeist schreibt nicht. Er spricht. So, wie man es von einem knorrigen, al- ten Baum erwarten würde. Relativ langsam und mit dunkler, sonorer Stimme. Mit seiner Antwort konnte ich nichts anfangen. Ich rief sie mehrfach ab und schrieb mir die Worte mit Datum auf. Vielleicht  würde das Rätsel sich ja irgendwann / irgend- wie lösen?! Am Folgetag rief ich wegen des Hauses an. Jahrelanger Leerstand, aber jetzt eben gerade verkauft, Notartermin schon anberaumt. Es reichte mir! Diesen Wink verstand selbst ich! Und entschied, die Haussuche für die nächste Zeit ruhen zu lassen. Da mir etwas ganz anderes bevorsteht. Viel wichtiger, einschneidender.

Der Mensch denkt, Gott lenkt. Es geschehen immer wieder Zeichen und Wunder, man muss sie nur erkennen. Morgen um diese Zeit sitze ich in irgendeiner Bahn zwischen Hamburg und Ostfriesland. Werde auf der Rückfahrt wieder in Bremen Aufenthalt haben, wie am Mittag auf der Hinfahrt schon. Welche Stimmung wird mich beherrschen? Freude? Schmerz? Enttäuschung? Frieden? Sorge? Es werden dann einige gemeinsame Stunden mit meinem Sohn hinter mir liegen. Den ich seit fast zwei Jahren nicht mehr gesehen und gesprochen habe. Das also wird sich mor- gen ändern. Und es bedeutet mir viel mehr, als das Haus anzuschauen. Denn es geht darum, Antworten auf Fragen zu bekommen. Vor allem eine. Auf die aller-wichtigste Frage.

 

Was der Baumgeist mir geantwortet hatte? Nun:

"Ein Geheimnis wird gelüftet und die Wahrheit setzt sich durch!"

Woher wusste er, wie es eine Woche später kommen würde?

 

 

 

"Reisende soll man nicht aufhalten", so sagt der Volksmund.

Aber man kann ihnen seine Liebe mitgeben, auf den langen Weg in die Ferne.

Deine Kinder sind nicht deine Kinder. Sie sind die Sehnsucht des Lebens nach sich selbst...