Weihnachtsbriefe habe ich heute geschrieben. Zwei.

Einen an den Enkel. Mit vielen lieben Worten. Und Weihnachtsgeld.

Letzteres zwangsläufig aus dem Überziehungskredit der Bank.

Zu teuer waren die selbst zu zahlenden Medikamente.

Und Rezeptzuzahlungen. Der letzten Wochen.

Den anderen Brief an mein Töchting. Eher ernst. Voller Wahrheit.

Beides sollte so sein und entsprach der Stimmung.

 

Am Vormittag Weihnachtseinkäufe in der Nachbarstadt Leer. Unfreiwillig.

Wie in jedem Jahr. Heute verschärft durch Regen und ein trübes Nieselgrau.

Fernab aller Farben, die der kurze Herbst wenigstens noch zeigte.

Gern wäre ich erst am Nachmittag dort gewesen. Mit beleuchteten Buden.

Wenigstens einem Anschein von feierlicher Stimmung.

Der Große aber wollte früh. Wie immer. Drängte. Wie immer. Ach, wie schade...

 

Laden um Laden. Plunder um Plunder. Plastik. In Spielzeug- und Kleidungsvarianten.

Bestellzettel abarbeiten. 15 Teile sind es am Ende.

Jeans mit Gummizug (unbedingt!) in Gr. 122/128.

Jeans ohne Gummizug (unbedingt!) in Gr. 110.

Pulli mit Kapuze in Gr.122/128. Dunkel. Oder mit Minions drauf.

Pulli ohne Kapuze in Gr.110. Auch mit Minions. Auch dunkel.

Shirt in... mit...

Baustellenfahrzeug Kran, Bagger, oder ähnlich. Bis 5 Jahre.

LEGO-Technik. Ab 5 Jahre - 10 Jahre. Usw...

 

Alles natürlich möglichst preisgünstig, aber megatoll. Versteht sich.

Die Gummitiere, Weihnachtsmänner und der Rest auch.

Menschenmassen, genervte Verkäufer, Krempelberge von Massenware.

Abarbeiten. Nicht denken. Nicht fühlen. Nicht wegrennen. Nicht darüber sinnieren,

dass der ganze Mist für die Kinder des Sohns der Exfrau ist.

Und diese ganze Familie einfach nur... Ich halte mich besser zurück!

 

Nein, in diesem Jahr fahre ich garantiert nicht mit dahin, stundenlang.

Keine Lust auf dauerqualmende Eltern mit Smartphone in der Hand.

Die ständig mit mindestens einem Auge auf den riesigen Flachbildschirm starren.

Während die Jungs lautstark die Hütte zerlegen und die Katze jagen.

Wenn sie nicht gerade bis zum Brechreiz mit Süßem vollgestopft werden.

Geht mich nichts an. Ich bin nicht die Oma. Und will es auch nicht werden.

Endlich habe ich es gesagt. Raus mit der Wahrheit. Der Große fährt also allein.

 

An Weihnachten würde er gern. Nur zu. Verstehe ich. Ich verstehe vieles.

Nur nicht, warum ich mein eigener Judas bin. Mich täglich selbst verrate.

Schluss damit! Um welcher 30 Silberlinge willen tue ich das eigentlich?

Am Nachmittag bin ich endlich allein. Weine unvermittelt los, als die Tür zu ist.

Mal wieder Haltung bewahrt. Den Stolz nicht aufgeben wollen. Warum? Wozu?

Was hab' ich denn (noch) zu verlieren?

 

"Es kann nur besser werden", sagt der Volksmund. Nö. Stimmt nicht.

So lange man lebt, kann es immer noch weitaus schlimmer werden. Logisch.

Das absolute Ende lassen wir mal weg. Es reicht auch so. Beispiele:

Am Tag vor der Krebsdiagnose "freudig erwarteter" Besuch des Schornsteinfegers.

Ein lieber Nachbar hat mich angezeigt, wegen meines kleinen Kohleofens.

Den ich vorausahnend in einer Nacht- und Nebelaktion... Jetzt ist es bitterkalt.

Seit vorgestern nur noch kaltes Wasser im Haus. Der Speicher ist hin. Alt eben.

Also div. Schichten Fleece. Mütze. Schlauchschal. Zwei Hosen. Zwei Shirts. Puschen.

 

Was könnte nicht noch alles kommen?

Das Hausdach könnte einfallen. Ein Wasserrohr bersten.

Der Kühlschrank... Ach der ist ja aus... Ich lebe ja im Kühlschrank, gewissermaßen...

Mein Konto ist schon am Limit, das ist also safe. Mhm...

Mein kaputtes Bein könnte schmerzen! Aber das tut es ja schon...

Mein Nachbar mich anzeigen wegen... Ach ja, hat er schon...

Meine Beziehung könnte zerbrechen... Aber da fehlt ohnehin nicht mehr viel...

 

 

Ich sitz' ja schon im Glashaus -

mit dem Stein in der Hand...

 

 

 

 

 

 

Where are you Christmas???