Eine SMS mit einer Anfrage habe ich geschickt. Am nächsten Tag eine Mail. Gestern noch eine SMS. Doch Antworten bekam ich keine.

Irgendwo habe ich noch "gutes", da marmoriertes Papier... jahrelang nicht gebraucht, also Suche... erfolg-reich. Ein Weihnachtsmotiv soll her, das sich auch findet, wozu gibt es Suchmaschinen... Der Drucker warnt: Sämtliche Patronen leer! Ja, ich weiß es, aber Geld für neue ist nicht da, es muss auch so gehen. Und siehe da, es funktioniert. Einen Brief schreibe ich. So richtig wie früher, mit der Hand und einem Stift. Unge- wohnt. Aber ein Ausdruck von Liebe. Ich erzähle ein wenig von mir und frage dann nach allem, was mich in- teressiert.

Ist es die richtige Mischung? 50:50? Oder von irgendetwas zu viel? Von anderem zu wenig? Ich weiß es nicht. So unsicher war ich noch nie. Aber es hilft nichts, es muss nun bleiben wie es ist. Einen Schein lege ich behutsam in den Briefbogen. Und ein paar Tränen. Doch die wird man nicht sehen. Hoffentlich habe ich kei- nen Fehler gemacht... Es stürmt und schüttet aus Kübeln, wie all' die letzten Wochen schon. Aber ich schlage mich durch zur Hauptpost, dort wird um 15.45Uhr geleert, das sollte garantieren, dass der Brief sein Ziel noch bis Heiligabend erreicht.

Mir ist schlecht. Ich öffne den Parka, setze mich zwischendurch in der Fußgängerzone auf eine der nassen Bänke oder Mauern. Ich hab' ja unendlich Zeit, nichts und niemand erwartet mich. Vom Weinachtsmarkt klingt "Polonaise Blankenese" herüber. Sind die da noch ganz gescheit? Es sind nur die ganz Unentwegten draußen, die Weihnachtsfeier - Verpflichteten, Obdachlosen und Großmütter, die noch Umschläge zur Post getragen haben. Letzteres verbindet irgendwie. 

Es tut gut, wieder zurück im Haus zu sein. Hinlegen. Schonen. Mit Blick und Ohr zum Smartphone, sicher kommt noch etwas?! Lange schlafe ich heute. Mit Wachsstöpseln im Ohr, damit ich nicht höre wie der Regen gegen die Sprossenfenster klatscht und der Sturm ein Metallteil an der seitlichen Hauswand unermütlich scharren und klappern lässt. Sonst traue ich mich das nicht mit der "Gehörlosigkeit". Wegen der Einbruchs-versuche. Da will man schon mitbekommen, ob jemand durch's Haus schleicht... Doch meine Leidensfähig- keit an Schlaflosigkeit ist eindeutig weit überschritten!

Schon nach 12 Uhr ist es, als ich aufschrecke. Der Raum ist dunkel wie am frühen Morgen. Aber was macht das? Das Smartphone wird überprüft, es könnte ja sein, dass ich etwas überhört habe, so zugestöpselt?! Nein. Auch der angeworfene Computer vermeldet nichts. Nur Werbespam. Ein Instantcafe erwärmt die starren Glieder. Nachdenken. Den Seelenzustand prüfen. Muss denn immer ICH diejenige sein, die nach- gibt? Könnte ich nicht zur Abwechslung mal hart bleiben? Das Herz antwortet eindeutig. Es schmerzt, als habe es ein Riese in seine Pranken genommen, drücke zu, wenn es ihm gerade beliebe.

Fenster auf! Die nasskalte Frischluft tut gut! Ich werde schreiben. Eben weil in Müttern ein Herz schlägt. Das liebt. Ganz gleich, was war. Und ist. Also doch Weihnachtskarten. Die ich ansonsten strikt verweigere. Eine ganze Weile sitze ich mit dem Stift davor. Es ist schwierig, die richtigen Worte zu finden. Wenn man befürchtet, dass jedes einzelne auf einer Goldwaage abgewogen werden wird. Mir ist schon wieder übel. Aber da muss ich nun durch!

Trockene Momente erwische ich. Es ist gerade 15 Uhr, bis zur Leerung an der Hauptpost schaffe ich es auch mit Pausen. Vor manchem Schaufenster bleibe ich stehen, als sei es unabsichtlich. Hole Luft, versuche den Blutdruck sinken zu lassen, huste, als sei ich erkältet. Wie ich es im vorigen Jahr auf dem Camino tat. Nicht-ahnend, dass meine in der Farmacia erworbenen Medikamente nicht helfen würden. Denn es war das Herz, welches Signale seiner Schwäche sendete...

Nun muss ich am Bahnhof vorbei. Parkende Autos. Freudenrufe. Eltern holen ihre erwachsenen gerade an- gereisten Kids ab. Und Kinder ihre Eltern. Wiedersehensfreude, Umarmungen, Tränen, Koffer, Rucksäcke. Ich winde mich hindurch. Wie oft habe ich meine Kinder abgeholt, wenn der Interregio sie mir zum Fest aus Hamburg brachte. Nun stehe ich auf keinem Bahnsteig wartend mehr, oder ein paar Tage später zum Ab- schied winkend. Jetzt trage ich nur Karten an sie im Daypack. Vorsichtig und mit vielen guten Wünschen lasse ich sie in den Schlitz des Standbriefkastens fallen. Am Geräusch erkennt man, dass er bereits wieder ziemlich gefüllt ist...

Erneut habe ich geweint, das Papier abgetupft, um meine Gefühle nicht allzusehr zu verraten. Dabei sind sie doch in jedem Wort zu lesen. Wenn man verstehen will...

Heute habe ich die Kamera mitgenommen, um ein paar Eindrücke der vorweihnachtlichen Seehafenstadt einzufangen. Die irgendwie zu meiner Stimmung passen. Jetzt müssten doch alle Kaufwütigen unterwegs sein, nun, da es endlich gerade mal trocken ist?! Wegen Überfüllung ist die City nicht gerade geschlossen:

 

Eine unserer beiden Einkaufsstraßen...

 

 

Superstimmung auch auf dem seltsamen Weihnachtsmarkt...

 

Am Delft ein Wohnmobil mit Weihnachtsdeko...

 

Während es an den Anlegestegen der Yachten auch eher trostlos ausschaut...

 

Wenige Meter weiter bin ich im Haus. In Sicherheit. Herzklabastern. Hinlegen. Einreden, alles sei gut.

Schlafen, volle 3 Stunden lang. Morgen um diese Zeit ist das Schlimmste überstanden. Hoffentlich.

 

 

Das habe ich früher immer endlos laufen lassen, wenn die Kids unterwegs zu mir waren.

Der Baum fertig, die Geschenke verpackt, das Haus festlich geschmückt und beleuchtet war.

Ich habe es nun seit Jahren nicht angehört. Denn die Kinder kommen nicht mehr.