Im schwarzen Heft geht es weiter mit:

 

So zog ich meine kleine Kamera hervor, um später die Bilder in meinem Kopf durch jene auf Fotopapier ergän- zen zu können. Begeistert drückte ich alsbald an diesem und jenem Punkt auf den Auslöseknopf und geriet da- durch fast unmerklich immer weiter auf die Brücke, die große Ähnlichkeit mit einem auf die Seite gelegten Eif- felturm hat (und auch tatsächlich von einem Schüler Gustave Eiffels entworfen wurde).

 

Schließlich wandte ich mich der anderen, bisher völlig vernachlässigten Seite zu und sah unbedarft über das Metallgeländer hinunter auf den Fluss. Lange konnte ich den staunenden Blick nicht mehr abwenden, von der bunten Welt, die sich dort unten vor meinen Augen aus- breitete. Geheimnisvoll floss der grün schimmernde „Rio Douro“ unaufhörlich dem nicht mehr weit entfernten At- antik zu, überspannt von filigranen Brücken und an sei- nen Ufern gesäumt von einer Vielzahl bunter Häuser, in allen nur denkbaren Farben, Formen und Größen – von oben besehen eine bizarre, real gewordene Spielzeugwelt!

 

Entspannte Menschen flanierten am Wasser entlang oder bevölkerten die Cafés, deren Kellner herantrugen, was Küchen und Keller nur hergaben. Offensichtlich auch zahlreiche bauchige Gläser jenen Weines, welcher dem Namen Stadt alle Ehre macht und der nur hier abgefüllt wird. Pittoreske Holzschiffe mit Fässern dümpelten im leichten Sommerwind am Kai, ferne Musik klang herauf, in den kleinen Gärten leuchtete die Farbenpracht des Südens. Der allgegenwärtig sichtbare Verfall gab dem ganzen Bild die Schönheit des Besonderen, als habe ein Maler seinem Bild mit den letzten Pinselstrichen be- wusst noch einen Akzent morbiden Charmes hinzugefügt.

 

Was ich da sah überwältigte mich in tiefstem Maße und löste in mir ein sehr selten gewordenes, tiefes Glücksge- fühl aus. Tränen bahnten sich ihren Weg ins Freie und es war mir völlig gleichgültig. Nichts zählte in diesen Augen-Blicken, als eben nur diese! Lange vermochte ich mich von dieser Kulisse voller Lebendigkeit nicht loszu-reißen...

 

Je mehr und tiefer ich später eintauchte in das unüber-schaubare Gewirr der Gassen, der nicht enden wollenden Treppen und Stufen hinauf und hinunter, vorbei an den skurrilsten Fassaden, vor deren kleinen Fenstern Leinen gespannt waren, um Wäsche aufzunehmen, welche nun lustig im Wind flatterte – desto stärker entstand in mir der Wunsch, mich hinter einer dieser wehenden zarten Gardinen aufzuhalten...

 

Vielleicht auch nur, um sie ein wenig zur Seite zu schie- ben, als stiller Beobachter des Treibens in dieser so sehr be- und verzaubernden Weltkulturerbe-Altstadt, die sich verschachtelt am Hang hinauf ausgebreitet hat, wie das Leben nun einmal wächst, wenn man es lässt. Wie sehr wünschte ich mir, diese so intensiv leuchtende Sonne über dem Fluss immer wieder auf- und untergehen zu sehen, begleitet von den schrillen Rufen der hier ungewöhnlich großen Seemöwen einzuschlafen und aufzuwachen, für einige Zeit einzutauchen in diese zugleich fremde und ungeheuer faszinierende Farben- und Formenwelt eines mir noch unbekannten Landes...

 

Wenig würde ich dafür brauchen, das habe ich durch meine Trekkingtouren längst erkannt. Wer wandert braucht nur was er tragen kann. Und wer schreiben möchte, der kommt mit ein paar Stiften und Heften zurecht. Damit vermag er sogar Zeichnungen zu Papier bringen, bildhafte Ausdrücke seiner Gedanken und Ge- fühle. Über eine Stadt, die so magisch ist wie der Cami- no, der ebenfalls seit Jahrhunderten die Menschen in seinen Bann zieht. Den Pilgern immer das gibt, was sie brauchen und nur selten das, was sie sich gewünscht ha- ben So sagt man. Vielleicht ist es mit Porto nicht an- ders. Genauso unerwartet. Und mit einem Gefühl von unstillbarem Heimweh, Das manche Menschen immer wiederkehren lässt. Auf den Weg und der Wege. Und in die Stadt einer die Menschen aus vielen Nationen ver- bindenden, friedlichen Welt.

 

Sind wir nicht alle Pilger? Ewig Suchende?

Für mich gibt es den Ort,

an dem ich Antworten finde.

Und so oft ich nur kann, kehre ich zu ihm zurück...

 

.-.-.-.-. Zitat Ende.-.-.-.-.

F

 

Fast vier Jahre sind meine Zeilen nun her. Vieles ist geschehen seitdem. Hat sich verändert. Manches brutal. Nun ist der Punkt erreicht, an dem ich Entscheidungen treffen muss. Einfache. Und schwierige. In Porto bin ich immer wieder gewesen. Im Spätherbst in Lissabon. Bin mehr und mehr eingetaucht in ein Land, das mich fasziniert, dessen Menschen mich beeindrucken. Mit de- nen ich die „Saudade“ teile, diesen Begriff, für den es keine erklärenden Worte zu geben scheint. Er passt zu dem kleinen Land, dass große Entdecker und Eroberer, Dichter und den Fado hervorgebracht hat. Der all' jenes ausdrückt, was in Menschen vorgeht, die von einer uner- klärlichen Traurigkeit und zugleich unbändiger Lebens-freude befallen sind.

 

Ich könnte gut leben dort. Im Land und in der Stadt.

Suche ein winziges Haus. Mit Wäscheleinen.

Ein neues Blog? „Herzklopfenstadt“ (was sonst...)

 

 

 

 

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