Der Abend kommt von weit gegangen, 

durch den verschneiten, leisen Tann.

Dann presst er seine Winterwangen

an alle Fenster lauschend an.


Und stille wird ein jedes Haus;

die Alten in den Sesseln sinnen,

die Mütter sind wie Königinnen,

die Kinder wollen nicht beginnen

mit ihrem Spiel. Die Mägde spinnen

nicht mehr. Der Abend horcht nach innen,

und innen horchen sie hinaus.


RAINER MARIA RILKE




Die Rauhnächte haben begonnen und mit ihnen die Zeit zwischen den Jahren.

Alle Räder stehen still. Wenn man dem alten Brauchtum folgt.

Die Sitten und Gebräuche unserer Vorfahren sind nicht mehr allgemein präsent.

Zu hektisch sind unsere Zeiten. Schon lange. Zu modern.

Aber es gibt sie noch. Die Menschen, die auf die "wilde Jagd" hören.

An knarrende Dielen, verschneite Tannen und flüsternde Balken denken,

wenn das Wort "Rauhnächte" fällt.

Zumal, wenn man in einem uralten Haus lebt, 

das Geschichten aus vielen vergangenen Jahrhunderten zu erzählen scheint...


Der Wind fährt um die krummen Mauern, singt mir ein ungezähmtes Lied.

Von der Vergangenheit, die nicht zu ändern ist.

Der Gegenwart, die mich umfangen hält.

Und der Zukunft, die ich noch zu beeinflussen vermag.

Wenn ich nichts leugne. Meine Fehler sehe. Die Wünsche, die ich verdrängt habe.

Die Hoffnungen, die ich unterdrückte. Den Mut, der irgendwann verloren ging.

Es gilt nur, den Staub wegzublasen.

Lichter anzuzünden, in allen dunklen Ecken - und in sich selbst.

Damit es wieder hell wird, weil das Herz den Weg ganz genau kennt.

Und der Kopf ihm folgen sollte - und nicht umgekehrt...


Von den dreizehn Rauhnächten ist es nun heute die dritte.

Intensiv habe ich mich mit mir auseinander gesetzt.

Was kann bleiben? Was soll / muss sich ändern?

Welche Ziele habe ich, was gilt es loslassen?

Dreizehn kleine Zettel wurden damit am späten Heiligabend beschriftet.

Und bevor ich damit begann, erschien es mir als sehr schwierig.

Aber dann ging es wie von allein - zu klar, welche Aufgaben auf mich warteten...


Zwei eng zusammengefaltete Wünsche sind bereits in Flammen aufgegangen. 

Einer brannte lichterloh auf, der zweite nur mit Widerwillen.

Man schaut nicht nach. Schickt ihnen nur Gedanken hinterher.

Ob gleich der heutige brennen wird, in diesem tosenden Sturm?

Wohin wird er ihn tragen??

Am Ende wird ein Papier das letzte sein.

Und damit jener Wunsch, der nicht dem Feuer anheim fällt.

Es wird jener sein, den ich aufklappen werde.

Und mir selbst erfüllen muss.


Ich hoffe, dass es einer ist, den ich zu bewältigen vermag.

Auf jeden Fall wird es etwas sein, das ich schon lange hätte tun sollen...