Im Frühjahr dieses Jahres galt es etwas in Bremerhaven zu erledigen.

Nicht gerade um die Ecke – die Fahrt sollte sich also „lohnen“.

Ich studierte die Möglichkeiten dort etwas zu unternehmen.

Am Ende blieben zwei übrig. Beide teuer. Grrrr...

Wir entschieden uns. Und standen an der Kasse im Auswandererhaus.

Jeder erhielt ein Ticket für „die Überfahrt“.

Der Große eines mit männlichem Namen.

Ich ahnte, was käme und protestierte heftig. Nö, bitte kein Frauenschicksal!

Da würde ich als Putzfrau, Hauswirtschafterin oder ähnlich enden.

Man soll sich doch aber irgendwie damit identifizieren können!

Die Reederei gab sich nach längerer Diskussion geschlagen.

Meine Fahrkarte lautete also auf: „Richard Morgner“. Na also...

 

Vorab: Das Auswandererhaus ist jeden Cent wert!

Leider kostete es aber einen Obulus um zu fotografieren. Also nicht.

Wir verschwanden mit anderen Reisenden in einem kleinen Raum.

Ganz aus Altholz, mit ebensolchen Bänken. Um brav zu warten.

Und wurden freundlich gefragt:

Sie wissen hoffentlich, dass Sie 3.Klasse - Passagiere sein werden!

Äh - - nein – kann man noch wechseln?? Leider nicht!

Verhaltensmaßregeln. Oh? Wir werden doch nicht untergehen??

Irgendwie ist es ab diesem Moment gar nicht mehr lustig.

Konnte Morgner sich die 2. (oder gar 1.Klasse) nicht leisten?

Das hatte ich nun davon...

 

Zu viel möchte ich nicht verraten, falls jemand auch „reisen“ möchte.

Eine Tür öffnete sich und wir betraten eine ganz andere Zeit.

Standen nach dunklem Gang inmitten alter Koffer und Körbe.

Zwischen weinenden Angehörigen, aus vieler Herren Länder.

Der Schiffsmotor lief schon und wir schauten an der Bordwand hinauf.

Ich schluckte (ein Teil meiner Berliner Familie wanderte auch aus).

Es hat sie wohl niemand zum Kai gebracht. Und keiner erwartet.

Auch wir gehen allein die Gangway im dunklen Raum hinauf.

Die 3.Klasse ist nicht gerade einladend. Der Geruch auch nicht.

Öl, Schweiß, Erbrochenes, Toilette . Alles mischt sich.

Gut, dass ich Herbergserfahrung habe – schmalste Etagenbetten.

Das Schiff rollt hin und her – und das alles unten im Schiffsbauch.

Zwischen Gepäckstapeln, Kinderwagen, zusammengepferchten Menschen...

 

Es fällt leicht, sich vorzustellen, wie die Bedingungen waren.

Auch die Ängste der Menschen lassen sich erahnen.

Würde das Schiff New York erreichen? Wie wäre es, hier zu ersaufen?

In Alice Island sitzt man in Käfigen (wie Mexikaner heute bei Trump).

Nach Aufruf gilt es die Einreisepapiere zügig auszufüllen.

Hätte ich einwandern dürfen? Ja. Erleichterung. Nur nicht zurück!

Nun wartet ein unbekanntes Land. Laut. Hektisch. Fremd.

In einem Raum mit Schubladen findet man die echten Schicksale.

Richard Morgner`s Fach ziehe ich nach etwas Suche auf.

Lese bedrückt sein Schicksal nach. Mit mehreren Suiziden in der Familie.

Bin erleichtert, dass er in der neuen Heimat durch Fleiß sein Glück macht.

Und traurig, da sein Leben doch dramatisch endet.

 

Vielleicht können wir vor nichts wirklich davon laufen.

Es kommt doch so, wie es von Anfang an vorherbestimmt war...

 

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