Wenn du ein einsames Kind bist, kann ein Stoffbär dein bester Freund sein.

Aber wenn man dich in ein Waisenhaus bringt, darf er dich nicht begleiten.

Wenn du zu Kinderkuren reisen musst, schützt dich niemand vor Gewalt.

Wenn du fast nichts mehr dein eigen nennst, kann man dir auch das noch nehmen.

Wenn Lehrer deine Verzweiflung nicht sehen und dich quälen, gehst du besser fort.

Wenn man versucht hat dir alles zu nehmen, bleibt dir immer noch eines:


Deine Fantasie.


Mit ihr kannst du leben, fliegen, tauchen, reisen. Und lernst zu lieben.

Geld spielt keine Rolle, denn alles auf der Welt gehört dir, ganz ohne Bezahlung.

Menschen, die du einmal geliebt hast, kehren zurück.

Du vermagst mit ihnen zu reden, zu tanzen, zu lachen. Sie umarmen dich.

So habe ich meine Kindheit überlebt. Die Jugend. Und alles das, was kam.

Noch heute träume ich, reise und wandere in meinen Gedanken durch die Welt.


In Nächten, in denen ich manchmal nicht schlafen kann,

fliehe ich vor der Realität in Sphären, die nur mir gehören.

In meinen Gedanken schreibe ich an einer Geschichte,

die sich schier unendlich fortsetzen lässt.

Oder abändern, wenn ich erneut um Mitternacht wach bin.

Meistens werde ich müde dabei. Und so erfüllt es seinen Zweck.



Aber nicht immer schlafe ich ein. Dann muss ich die Story weiterspinnen.

Zu reisen wäre ein Abenteuer. Nein, nicht nach Sylt oder Berlin.

Es müsste schon etwas Besonderes sein. In die Antike zum Beispiel.

An den Hof eines Pharaos. Oder zu einem besonderen bayrischen König.

Die Zukunft ist auch interessant. Nicht die nahe, in der Menschen alles zerstören.

Sondern eine, in der es normal ist auf fernen Planeten achtsam zu leben.


Was bräuchte es dafür? Ein Reisebüro. Transportfahrzeuge. Mitreisende.

 Infrastrukturen hier und dort. Finanzielle Mittel. Oder Leistungen als Ersatz.

Mit der Zeit entsteht so etwas wie ein Gerüst. Sich stetig verstärkend.

Ein ganz eigener Kosmos. Ein System mit Freunden und Feinden.

In dem alles möglich zu sein scheint für jene, die vertrauensvoll sind.

Wenig Fragen stellen, ihr Gehirn ausschalten, weil der Preis zu sehr verlockt.


Dann kommt eine Nacht, die ganz anders ist. In der ich mir Fragen stelle.

Z.B. jene, warum ich immer nur im Kopf „spinne“ und nicht in der Realität.

Der Gedanke bleibt haften. Ich könnte doch ein Buch schreiben?

Nein, keinen Bestseller. So vermessen bin ich nicht. Ein Taschenbuch wäre cool!

Ich bestelle mir online zwei dicke DIN A4 Hefte, schnappe mir einen Kuli.

So kann ich überall schreiben, ohne mein Notebook hochfahren zu müssen.


Natürlich werde ich ausgelacht. Ein Buch schreibt man mit dem Computer!

Hahaha, ein Heft und ein Stift... Wir sehen fern. Klaus-Peter Wolf erscheint.

Autor der Ostfriesenkrimis. Wohnhaft in Norden. Er erzählt von sich.

Wie er in Heften schreibt, Ideen festhält. Seitdem ist das Thema keines mehr.

Bei ihm. Für mich schon. Was bleibt, wenn „unsere“ Welt untergeht?

Wohin würden die Menschen flüchten? Was wiederum dort zerstören?



Wir sind heute alle Passagiere auf einer Titanic:

Wir fahren auf den Eisberg zu, aber es ist zu spät,

das Steuer herumzureißen.“


Joseph Weizenbaum (im „Spiegel“)